Toni war auch nicht besser

Sind Menschen Abfall? Zu Recht kann man hier auf die Erfahrungen aus der Geschichte verweisen, die solche Vergleiche zu einer Ungeheuerlichkeit machen. Geht gar nicht. Dementsprechend sollte man meinen, dass sich die Aussage “Männer sind Abfall” jedem verbietet, der nicht in einer Reihe mit menschenverachtenden Ideologen wie Pol Pot und Joseph Goebbels stehen will. Thema durch. Oder?

Es scheint sehr bequem, sich zum Hashtag #MenAreTrash auf Twitter den Zorn der Gerechten zu konstruieren. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil und sein wir mal ganz ehrlich – selbst wenn sich der eine oder andere von uns mal ordentlich daneben benimmt, macht uns das noch lange nicht zu Müll. Es gibt da allerdings einen kleinen Haken: Vom Schulhof-Spruch (“Alles Schlampen außer Mutti“) bis zu konspirativen Frauenhasser-Gruppen finden wir genügend Beispiele für Sprüche und ganze Weltbilder, die nicht minder daneben sind und nicht den Menschen dahinter, aber doch die Aussagen selbst eindeutig der Kategorie Müll zuordnen. Ganz von der Hand zu weisen ist das Thema also nicht.

Das macht so einen Hashtag oder den fast schon grotesken Blödsinn, den beispielsweise eine Sibel “Männer sind Arschlöcher” Schick regelmäßig in ihre Publikationen rotzt, natürlich kein Stück besser. In der Argumentationsstruktur fundamentalistischer Salonrevoluzzer wird dort ein feindliches System konstruiert, in dem alle, die nicht dagegen kämpfen, automatisch zum Profiteur und damit Repräsentanten des Systems werden, die ebenfalls mit allen Mitteln bekämpft werden dürfen. Die Scheinlogik solcher Argumentationen, die üblicherweise radikale politische Gruppen und autoritäre Herrscher zur Bildung eines Zugehörigkeitsgefühls für sich nutzen, durchschauen viele Menschen glücklicherweise. Und belächeln diejenigen, die solche ideologisierten Vereinnahmungsversuche in Zielgruppen-Zeitschriften propagieren.

Apropos Humor: Vor über zehn Jahren kursierte ein überaus populäres Video im Internet. Zu sehen war ein tätowierter Mann, der mit nacktem Oberkörper auf einer Couch herumfläzend eine zehnminütige Tirade über die vermeintlich fragwürdige Sexualmoral von Frauen vom Stapel ließ. “Voll Assi Toni” folgte dem Prinzip der Reality-Soap: So völlig neben der Spur gesellschaftlicher Normen, das musste eigentlich gestellt sein – oder etwa doch nicht? Jedenfalls amüsierten sich nicht wenige Vertreter beider Geschlechter über diese völlig überzogene Klischeedarstellung. Andere fanden die offen zur Schau gestellte Misogynie, die Frauen zu reinen Sexualobjekten degradierte und dafür noch verächtlich machte, so gar nicht lustig. 

Vor diesem Hintergrund erscheint #MenAreTrash die verspätete Retourkutsche für Toni. Touche, werte Damen! Hie wie dort ruft nun die kalkulierte Provokation die Empörten auf den Plan. Und vielleicht sollten wir uns deshalb einmal bewusst die ganze Lächerlichkeit solcher Weltbilder vor Augen führen, in der alle Frauen billige Flittchen oder alle Männer tyrannische Phallokraten sein sollen. Wollen wir die Abziehbilder aus dem trashigen Vorabendprogramm im Twitter-Privatfernsehen, die uns solch hanebüchenen Schwachsinn als Beitrag zu einer Debatte oder gar “die Wahrheit” verkaufen wollen, tatsächlich ernst nehmen? Wenn wir über Toni ungläubig lachend den Kopf schütteln können, warum nicht auch über eine Lia Haubner?

Nun gäbe es ja wirklich gute Gründe, sich mit im Jahr 2018 noch immer vorhandenen Problemen zwischen den Geschlechtern ernsthaft zu beschäftigen. Ja, es gibt sexualisierte Gewalt und problematischen Sexismus, Diskriminierung und allen möglichen abscheulichen Kram, den wir in einer freien Gesellschaft überwunden haben sollten. Dem sind Frauen (und Männer) täglich ausgesetzt. Darüber müssen wir reden und das ist alles kein bisschen lächerlich. Aber dann sollten wir auch mit dem ernsthaften Bemühen um eine ausgewogene Betrachtung und mit der nötigen Klarheit in die Debatte gehen. Statt uns über Zerrbilder zu empören, sollten wir einfach das nahe liegende tun: Lachen. Bei den Toten Hosen hat das doch auch geklappt und wir grölen nach dem dritten Bier mit, was wir doch alle für haarige Biester sind, statt am Empörungskreisel zu drehen. Der lenkt nämlich nur vom eigentlichen Thema ab. Und am nächsten Morgen fallen dann allen Beteiligten hoffentlich noch ein paar ernst zu nehmende Beiträge zu dieser wichtigen Debatte ein. Das wäre eine lohnenswerte Emanzipation von Toni.

Sexisten im Grabenkampf

Nach dem #Aufschrei rückt mit #metoo wieder einmal Alltagssexismus und die Problematik sexueller Belästigung in den Blickpunkt. Und die Reflexe funktionieren noch: Die lautesten Diskussionsteilnehmer verstehen sich als Vorkämpfer ihres Geschlechts und befestigen als erstes einmal die Stellungen. Irgendwo zwischen einer Marginalisierung der leidvollen Erfahrung Betroffener und einem beliebig dehnbaren Sexismus-Begriff bleibt die eigentliche Debatte im Schlamm des Schlachtfelds stecken.

Der Auslöser, nämlich die scheinbar über lange Jahre bekannte Übergriffigkeit des Mr Weinstein, ist ebenso unstrittig verwerflich wie das für vergleichbare Fälle gilt. Aber was ist denn eigentlich vergleichbar? Zwischen Vergewaltigung und verbaler Belästigung liegt eine große Bandbreite, die in der nun entstandenen Diskussion fast unsichtbar wird. Dazu kommt mit Sexismus ein Oberbegriff ins Spiel, der auch noch strukturelle Diskriminierung und gesellschaftliche Geschlechterrollen mit abdeckt. Das Problem wird beispielsweise deutlich, wenn die Zeit einen Artikel mit dem Zitat “Sexismus ist ein Werkzeug, mit dem Männer ihre Macht sichern” überschreibt:

Auf dieser Ebene der einseitigen Schuldzuweisungen und Zementierung eines Täter-Opfer-Verhältnisses wird die Debatte um Sexismus selbst sexistisch. Wer so spricht, hat kein Interesse an einer Begegnung von Mann und Frau auf Augenhöhe. Genau wie Rassismus lässt sich Sexismus nicht auf eine einzelne Gruppe Betroffener verengen, ohne zum inhärenten Widerspruch zu werden. Damit ist die Frage, worum es dann geht. Maximale Dramatisierung? Aufmerksamkeit?

SPD-Fraktionsvorsitzende Nahles hat jedenfalls die Zeichen der Zeit erkannt und verbal aufgerüstet: Männer müssten mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden. Nachdem mit Klassenkampf zur Enttäuschung der Genossen in einer Wohlstandsgesellschaft nicht mehr viel zu holen ist, muss ein anderer Kriegsschauplatz her. Nun also Marschbefehl zum Kampf der Geschlechter. – Liebe Sozialdemokratinnen, hiermit verweigere ich den Dienst in eurem Feldzug und lehne auch die Beteiligung auf Feindesseite ab. Mit einer “Wir-gegen-die”-Mentalität lösen wir keine gesellschaftlichen Probleme. Dass auch bei negativen Erfahrungen ein Dialog mehr hilft als ein Pranger, hat Gerlinde Schrön nachvollziehbar aufgeschrieben. Das sollte uns auch in der öffentlichen Debatte ein Lehrstück sein, miteinander und nicht übereinander zu reden.