Der SPD als voraussichtlich größte Oppositionspartei einer Jamaika-Regierung käme im 19. deutschen Bundestag eine wichtige Rolle zu. Als regulatives Element und zudem einzige Oppositionspartei ohne Extremismusproblem könnte sie wichtige Impulse setzen. Sich nach den kräftezehrenden Jahren als gesichtsloser Junior-Partner in einer zunehmend beliebig agierenden großen Koalition wieder mit eigenen Ideen positionieren. Könnte. Stattdessen beschäftigt sich die SPD-Fraktion im Bundestag lieber mit der auch im Hinblick auf ihre Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland vor einer ungewissen Zukunft stehenden Stahlindustrie und mit dem Erhalt von Bürokratie.
So war die Reaktion auf die Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen zum Thema Mindestlohn als solches erwartbar. Dass es den Genossen dann aber nicht um Existenz oder Höhe ging, überraschte doch. Umso mehr, als dass sich unter der Überschrift “Hände weg vom Mindestlohn” schließlich nur die Forderung fand, die Dokumentationspflichten nicht zu prüfen. Ja, das haben Sie richtig gelesen: Es geht der SPD nicht um den Mindestlohn, sondern um die bürokratischen Pflichten, die sie nicht einmal geprüft sehen wollen. Papierkrieg als sozialdemokratischer Wert.
Auch mag es verwundern, dass sich die Bundestagsfraktion plötzlich mit regionalpolitischen Themen wie dem Standorterhalt bei ThyssenKrupp Steel beschäftigt. Das ist bestimmt ein wichtiges Thema in Duisburg und den umliegenden Einzugsgebiete, da es hier auch um Arbeitsplätze geht. Aber im Jahre 2017 darf man sich einmal fragen, ob eine Fusion in der Stahlindustrie tatsächlich von so weitreichender Bedeutung ist, dass man sich im Bundestag damit beschäftigen müsste. Vermutlich haben hier eher die innigen Verbindungen zwischen Frau Nahles und der IG Metall dazu beigetragen, dieses Thema zur sozialdemokratischen Staatsräson zu erheben.
Hängt Deutschlands Zukunft als post-industrielle Dienstleistungsgesellschaft an staatlich geschützten Stahlwerken und sakrosankten Verwaltungsaufgaben? Wohl kaum. Ein Hamburger Supermarkt warb anlässlich des 30. Firmenjubiläums unter anderem mit einem Einkaufsbeutel. Der Aufdruck: “Entweder gehst du mit der Zeit, oder du gehst mit der Zeit.” Vielleicht sollten sich die Sozialdemokraten darüber einmal Gedanken machen.