Auf meinem Arbeitsweg gestern begegnete mir eine junge Dame mit einem selbst gebastelten Demo-Plakat, sie mochte Mitte zwanzig gewesen sein. Etwas unbeholfen hatte sie mit krickeliger Schrift und Wachsmalstift unter ihrer Forderung nach mehr Klimaschutz auch gleich noch einen Schuldigen ausgemacht: Die bösen Kreuzfahrtschiffe! Im hektischen Berufsverkehr des frühmorgendlichen Hamburg kam ich nicht dazu sie zu fragen, warum sie sich ausgerechnet dafür entschieden hatte. Von SUVs über Inlandsflüge bis hin zum Chefredakteur der Welt hätte es schließlich eine gewisse Auswahl gegeben.
Ohnehin erstaunlich finde ich die Verquickung des Anliegens Klimaschutz mit allen möglichen anderen Themen – von persönlichen Befindlichkeiten bis zur kontextlosen Systemkritik erlebnisorientierter Demo-Stammgäste. Letzteren fehlt möglicherweise bei einer so hohen Dichte von Happenings in diesem Jahr schlicht die Zeit, sich jenseits von “smash capitalism” mit so Nebensächlichkeiten wie dem Anlass einer Demo zu befassen. Das einmal gestaltete Transparent so die ganze Saison über wiederzuverwenden ist natürlich auch eine Form der Nachhaltigkeit.
Dass das Kernthema Klimaschutz immerhin Hunderttausende Menschen weltweit eint, droht im Potpourri von Partikularinteressen in den Hintergrund zu treten. Es hülfe eine klare Fokussierung und damit verbunden bewusste Eingrenzung des Themas, basierend auf Fakten und Expertisen, die weder am Stammtisch noch auf dem Schulhof entstehen werden. Mit einer konstruktiven und gerne auch in der Sache harten Auseinandersetzung kann dann um die besten Abbildungen der notwendigen Lösungen gerungen werden. Es schien als hätte die Bundesregierung genau diesen Versuch unternommen:
Weißer Rauch stieg vermutlich nicht auf, als sich Union und Sozialdemokraten endlich auf ein “Klimapaket” geeinigt hatten. Das hätte dem Anliegen in gewisser Weise widersprochen, schließlich sollte es doch um Klimaschutz gehen. Doch auch mit einem Blick auf das Ergebnis bleibt davon nicht viel übrig – darin sind sich selbst sonst eher auf entgegengesetzten Seiten des politischen Spektrums stehende Medien wie Spiegel Online und die NZZ erstaunlich einig. Die große Koalition gleicht einem Auto-Besitzer, der im Wetterbericht eine Warnung vor Wintereinbruch mit heftigen Schneefällen hört. Unschlüssig, ob das tatsächlich so kommt, und weil es auch sehr mühselig ist, entscheidet er sich nach langer Überlegung zu einem Kompromiss: Er zieht die Winterreifen nur auf der linken Seite auf.
Klimapolitik als Weg, der sich zwischen Lösung und Nicht-Lösung im Nebel verliert. Er passt zu einer erschlaffenden Regierung, die wie verzagt und ideenlos agiert, wann immer es um unsere Zukunft geht. In diesen Reflexen erscheint sie plötzlich wenig unterscheidbar von den Sozialismus-Aktivisten auf der Straße, die mit ihrem Dauerplakat zur dritten Demo in einem Monat fahren, um die immer gleichen Parolen zu krakeelen. Einen großen Wurf und eine klare Linie zum Klimaschutz dürfen wir aus diesen beiden Gruppen wohl eher nicht erwarten. Umso wichtiger wäre nun ein Schulterschluss derer, die in der Sache eine wirkliche Lösung anstreben. Ein übergreifendes Bündnis in Gesellschaft und Politik sollte in der Sache wirken, ohne sich von Parteitaktik oder Ideologie vereinnahmen zu lassen.