Manchmal begegnet man Menschen im Leben, die einem plötzlich einen Schwall gänzlich ungewollter Aufmerksamkeit zukommen lassen. Der schmierige Typ in der Bar mit dem ungewaschenen Haar, der gerne „tanzen“ möchte und schon mal eine Hand auf Hüfthöhe ausstreckt. Die mitgenommen aussehende Dame mit einem Fleck Erbrochenem auf dem Kleid, die um halb sechs morgens an der U-Bahn-Station Gesellschaft sucht. Oder ein populistischer Agitator, der in seiner Partei mehrfach Rassismus weglächelt oder als Stillosigkeit verharmlost, aber nun plötzlich Verbrüderung mit liberalen Kräften haben will. Solchen Leuten gemein ist ihre teils persönlichkeits-inhärente, teils substanz-induzierte Wahrnehmungstrübung, in der sie sich für erheblich begehrenswerter halten als sie es sind und das angeekelte Abwehrverhalten ihres Gegenübers nicht mehr deuten wollen (seltener: können).
Sprechen wir also über Alexander Gauland, der sich nun öffentlich einen Schulterschluss mit der FDP erhofft. Eine Partei, die sich für individuelle Freiheit, Menschen- und Bürgerrechte und damit den Kern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einsetzt, soll gemeinsam mit denjenigen arbeiten, in deren Reihen sich ohne großen Widerspruch laute Stimmen für die Abschaffung dieser unserer Gesellschaftsordnung einsetzen: Lügenpresse, Politiker als Volksverräter, alles Fremde als Bedrohung – der Tenor dieser AfD ist so unvereinbar mit einer liberalen Partei wie die ideologischen Fundamente der Linken und der CSU. Man könnte lernen aus der Verweigerung von Realpolitik, die die AfD als Sprungbrett in den Bundestag nutzte, dass diese Partei alles tut für Wählerstimmen und Publicity. Zum Beispiel eine plötzliche Kehrtwende in der Bereitschaft mit der FDP als einer der vielgescholtenen Altparteien gemeinsame Sache zu machen.
Genau darin zeigt sich die Perfidie des Alexander Gauland: Er weiß vermutlich ganz genau, dass seine Partei mit Liberalismus so viel am Hut hat wie Kim Jong Un mit Demokratie. Und dass deshalb die FDP natürlicherweise dieses „Angebot“ vehement ablehnen muss. So hat die AfD eine weitere Episode in ihrem Opfermythos. Es ist schließlich in der nun erwartbaren Inszenierung der Vertreter von weniger als 13% des Volkes beinahe schon eine Zumutung, dass der erklärte politische Gegner nicht die eigenen Prinzipien und Kernwerte verrät, um in das monothematische Lamento über Flüchtlinge, Lügenpresse und die bösen Politiker [nur die anderen!] einzustimmen. Dieser Unsinn zieht leider bei den AfD-Wählern, die ihrem Gauland vermutlich auch glauben würden, dass Angela Merkel eigentlich ein Cyborg mit dem konservierten Hirn Adolf Hitlers ist. Aktion erfolgreich, Dreistigkeit gewinnt bei denjenigen, die Fakten durch eine “Protest hat immer Recht”-Mentalität substituieren.
Trotzdem kann man Wolfgang Kubicki für seine Konsequenz und klare Absage in Richtung Gauland nur danken. Auf einer Ebene von Sachpolitik werden Überschneidungen zwischen AfD und FDP mit Sicherheit auftreten. Diese sollten auch zulässig sein. Denn so abstoßend man die AfD als demokratisch und freiheitlich denkender Mensch finden muss: Abgrenzung gehört in die Debatten, nicht in die Abstimmungen. Wenn die FDP mit den Stimmen der Grünen, der Linken oder auch der AfD richtige Anliegen umsetzen kann, so ist es nur konsequent, das auch zu tun. So funktioniert Demokratie, alles andere ist Kindergarten. Aber ein Bündnis oder auch nur informeller Schulterschluss mit der nationalistisch und in Teilen völkisch geprägten AfD kann keine Option sein für freie Demokraten, denen dieses Wortpaar noch etwas bedeutet. Diese Erkenntnis ist übrigens nicht neu, sondern fast vier Jahre alt – damals hieß der Vorsitzende der AfD noch Lucke und war zwar erheblich gemäßigter, aber nicht weniger inkompatibel mit einer liberalen Weltanschauung. Deshalb: Nein, danke, Herr Gauland. Und Freunde werden wir auch nicht. Nicht mal auf Facebook.